„Die Energie der Worte sollte positiv wirken.“

Interview mit Helga Simon-Wagenbach, erschienen im Deutschen Yogaforum

 Helga Simon-Wagenbach ist Yogalehrerin in der Tradition von Sri Krishnamacharya, TKV Desikachar und R. Sriram. Gleichzeitig ist sie von Pater Willigis Jäger autorisierte Zen-Lehrerin. Ihr Yoga- und Meditationsunterricht ist bekannt dafür, dass er die Schüler in die Tiefe führt. Nicht zuletzt wirken ihr Unterricht und ihre Bücher so stark durch ihre Art zu sprechen. Im Interview mit dem „Deutschen Yoga-Forum“ ergründet sie die Bedeutung der Worte in Yoga und Meditation.

 Barbara Oberst: Welche Bedeutung haben für Dich die Worte im Yoga und in der Meditation?

Helga Simon-Wagenbach: Sowohl im Yoga-Unterricht als auch für die Erfahrung in der Meditation sind die Wortwahl und die Stimme der Lehrenden von entscheidender Bedeutung.

  • WAS möchte ich vermitteln (Inhalt)?
  • WEM möchte ich Impulse geben (in der Gruppe, im Einzelunterricht, in der spirituellen Begleitung)?
  • WIE, auf welche Art und Weise in der Wortwahl und durch die Stimme/Modulation kann Resonanz entstehen, die zur eigenen Erfahrung führt (Beziehung)?

Barbara Oberst: Unterscheidet sich der Umgang mit Worten im Yoga und in der Meditation?

Helga Simon-Wagenbach: Prinzipiell nicht, wenn man weiß, dass Yoga die älteste Weisheitslehre ist. Es geht um Wissen und um Erfahrung, und zwar gleichzeitig, als JNANA (also Wissen – Vidya, das auf innerer Erfahrung beruht). Der Weg der Erfahrung, die Methode, ist MEDITATION.

 Barbara Oberst: Wie stark wirken sich Wortwahl und Modulation aus?

Helga Simon-Wagenbach: Das Wort, die Sprache, die Rede, aber auch der Gesang, sogar das Gebet heißen im Sanskrit VAC beziehungsweise VAG. Im Lateinischen wurde daraus VOX, die Stimme. Aus der Taittiriya Brahmana Upanisad lernen wir aus einer langen Rezitation zum Thema Herz (hrydaye), dass an erster Stelle Vac/Vag – unsere Sprache – aus dem Herzgeist kommen muss. Dann erst folgen alle anderen menschlichen Tätigkeiten und Eigenschaften, die sich aus der Quelle des unsterblichen Herzgeistes (amrta) verwirklichen sollten.
Wir können daraus erkennen, dass unsere innere Erfahrung (Schauen) und die Art und Weise, wie wir sprechen, singen, rezitieren (Modulation), von entscheidender Bedeutung für die Resonanz (Widerhall) in der Beziehung mit anderen Wesen sind.

Barbara Oberst: In der Alltagskommunikation wie im Yogaunterricht stellen wir immer wieder fest: Was jemand sagt, ist nicht unbedingt das, was er ausdrücken wollte und es ist nicht das, was sein Gegenüber versteht. Wie können wir vor diesem Hintergrund im Yogaunterricht möglichst große Klarheit erreichen?

Helga Simon-Wagenbach: Die Yogalehrenden müssen auf allen Ebenen absolut authentisch sein. Fachkompetenz, wie sie in der Yogalehrausbildung vermittelt wird, ist eine unverzichtbare Voraussetzung. Das kann zunächst auf einfacher Ebene (Einführung) beginnen und sich über die Jahre aufgrund wachsender eigener Übungs- und Unterrichtserfahrung erweitern. Ich muss nicht nur gelernt, sondern durch eigenes Üben verinnerlicht haben, was ich lehre!
Die Lehrenden sollten vor allem empathische Menschen sein, die spüren, was die Übenden erfahren (fühlen). Dazu gehört auch die Art und Weise, wie und in welchem Umfang gesprochen wird. Die Energie der Worte sollte positiv wirken und aus dem Herzen kommen. Dann ist man klar und authentisch. Die Worte sollten ruhig, klar, nicht zu laut, nicht zu leise gesprochen werden. In Meditationsanleitungen: wenig Worte, das ein oder andere eventuell wiederholen, die Stimme anpassen.
Lehrende der Yogameditation sollten durch ihren eigenen, regelmäßig praktizierten spirituellen Übungsweg ihre Klarheit und Tiefenerfahrung stabilisieren. Dann lehrt man das, was man zutiefst ist.

 Barbara Oberst: Ein Ziel im Yogaunterricht ist es, die Teilnehmenden vom Denken zum Spüren zu geleiten. Besteht durch einen sehr bewussten Einsatz der Sprache nicht die Gefahr, wieder auf die Kopfebene zu wechseln?

Helga Simon-Wagenbach: Wenn uns Formulierungen wach rütteln, dann geschieht das energetisch auf der Ebene des Einfühlens und nicht auf der Ebene des Nachdenkens. Rationales Denken hat zwar seinen eigenen Raum, seine eigene wichtige Bedeutung – aber nicht in der Yoga-Meditation. Reflektiertes Denken nach der Übung, das die gemachte Erfahrung einbezieht, ist natürlich wichtig (siehe svadhyaya beim Kriya Yoga).

 Barbara Oberst: Im Yogaunterricht sprechen viele Lehrenden sehr bewusst und oft langsamer als im Alltag. Die Alltagssprache ist weitaus gröber und spontaner. Ist das ein Bruch in der Authentizität?

 Helga Simon-Wagenbach: Was die Sprache (Wortwahl) und die Art und Weise des Sprechens anbelangt, besteht ein Unterschied zwischen der Alltags- und der Übungssituation. Sowohl für Übende als auch für Lehrende.
Die Integration des Yoga im Alltag besteht darin, dass man im Alltag genauso präsent, mit spürender Achtsamkeit, das Leben, die Situationen, ohne sofortige Reaktion und Wertung, erfahren kann und aus dem dann klaren Geist (Herzgeist) handelt. Die Art und Weise des Sprechens und die Wortwahl wird dadurch natürlich beeinflusst, muss aber nicht z.B. besonders langsam sein etc. Bewusst, ruhig und klar ist wichtig, aber nicht als Technik, sondern als ganz normaler Ausdruck der eigenen inneren Verfassung.

 

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