Etwas, was mich immer wieder im Yoga beschäftigt, sind vermeintliche Widersprüche in der Lehre. Gerade war ich wieder auf einer Weiterbildung in Yogatherapie, wo der Dozent die Bedeutung von Ritualen betont hat.
Jede Praxis haben wir mit einem kleinen Ritual begonnen und es steht außer Zweifel, dass Rituale für uns Menschen viel Bedeutung haben können; das kann das allmorgendliche Dusch-Ritual sein; die ritualisierte Art, wie man einen Bekannten begrüßt oder verabschiedet: ihn in den Arm nimmt oder abklatscht – oder auch Rituale in größerem Zusammenhang: Die Art, wie eine Familie große Feiern begeht, oder wie Festtage beispielsweise in der Kirche zelebriert werden.
Egal, ob banales Alltagsritual oder großer Zinnober: Die Rituale können uns Menschen Struktur geben, Halt. Aber nur, wenn wir es richtig machen.
Mich begleitet seit Jahren morgens das Ritual Yoga: Ich stehe auf, ziehe mich um und gehe auf die Matte. Zunächst sitze ich einige Augenblicke und rezitiere ein Mantra, dann fange ich an zu üben.
An der Art, wie ich das alles mache, weiß ich schon, wie ich drauf bin. An guten Tagen bin ich voll bei der Sache, in ruhiger Konzentration, so wie Yoga ist.
An anderen Tagen spule ich mein Programm ab und der Kopf arbeitet parallel an ganz anderen Dingen. Ich plane den Tag, mir fällt ein, was ich gestern vergessen habe, ich fange an, mich zu beeilen, komme aus der Ruhe – der unruhige Affengeist.
Genau hier liegt die Gefahr in Ritualen: Allzu leicht legt man bei Dingen, die vertraut sind, den Autopiloten ein. Bedeutung und wohltuende Wirkung hat ein Ritual aber nur, wenn wir es bewusst ausführen.
Und damit komme ich zu dem Begriff, den ich manchmal als Widerspruch zu Ritualen empfinde: den Anfängergeist. Yogageist ist Anfängergeist, heißt es immer wieder. Aber was soll das sein?
Im Yoga-Üben wie im Alltag sollen wir unvoreingenommen an Alles herangehen, so wie ein Kind, das ein Ding zum ersten Mal entdeckt und sich in der Erkundung der Welt ganz verlieren kann.
Rituale scheinen dem auf den ersten Blick entgegenzustehen, zumindest, wenn wir sie so begehen, wie wir es im Alltag tun. Dann sind sie Routinen, die nicht stützen, sondern scheinbar sinnlos einengen.
In unserem neuen Kurs „Yoga im Sommer“ erkunden wir gemeinsam, wo die Grenzen zwischen sinnvollem Ritual und Autopilot liegen und wie uns der Anfängergeist helfen kann, diese Grenze nicht zu überschreiten.
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