Wer wie ich den Sommer liebt, die Helligkeit, die Wärme, das Badengehen, der hat es im Herbst schwer: Die Tage werden kürzer, das Wetter tendenziell schlechter, grauer, kühler, die Natur geht in den Rückzug.
Wir leben in einer Kultur, in der Wachstum gleichbedeutend ist mit gut. Stagnation oder Rückzug gelten allgemein als schlecht. Die Wirtschaft muss wachsen, das Bankkonto ebenso, die Zahl der Freunde auf Facebook auch – und wegen mir auch die Zahl der Sonnentage.
Der Herbst ist in diesem auf Wachstum ausgerichteten System eigentlich ein Unding. Er macht genau das, was nicht gewollt ist: Er baut ab.
Aber er lehrt uns auch etwas. Welchen Preis kostet denn das Wachstum? Alles, was irgendwo als Wachstum auftritt, muss vorher an anderer Stelle weggenommen worden sein. Das besagt das Gesetz von der Erhaltung der Masse. Wenn ich ein Haus baue, mache ich das mit Materialien, die ich von anderswoher beziehe.
Aber das gilt nicht nur materiell: Wenn ich immer mehr Termine habe, geht auch das auf Kosten von etwas anderem:
meinem Zeit- und Energiereservoir.
Der Herbst sorgt für ein Gleichgewicht. Er gibt all das, was Frühling und Sommer aufgebaut haben, zurück in den Kreislauf. Er macht eine Pause möglich, einen Rückzug, um Kraft zu schöpfen, das was bei uns ja oft zu kurz kommt.
Ich meinem aktuellen Yogakurs ist genau dies das Thema: Was wir vom Herbst lernen können und wie Yoga helfen kann, das umzusetzen.
Ich ziehe deshalb den Herbst dem Frühjahr vor, weil das Auge im Herbst den Himmel, im Frühjahr aber die Erde sucht.
Soren Kierkegaard
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