Glaube nicht alles, was Du denkst!
Unter diesem Motto stand meine vergangene Online-Yogastunde. Aufhänger war diese Postkarte, die ich vor einigen Jahren geschenkt bekommen habe:
Vielleicht ist es Euch ähnlich gegangen wir mir in den vergangenen Wochen: Ich habe sehr verschiedene Phasen durchgemacht.
Erst die Informationsphase. Alle Nase lang habe ich zum Handy gegriffen, Nachrichten gelesen, Infektionszahlen kontrolliert, mich als Informationsjunkie kultiviert…
Dann gab es eine Genussphase: Hey, es ist alles ja viel entspannter, wenn die ganzen Termine wegfallen. Kein Rumrennen mehr, kein Erledigen, es fühlte sich nach hübscher Entschleunigung an.
Dann gab es hyperaktive Phasen: Was kann man nicht alles in dieser Zeit machen: Aufräumen, Ausmisten, Renovieren, viel Sport, viel Yoga, telefonieren mit alten Freunden….
Dann gab es traurige, zweifelnde, antriebslose Phasen: Denken an die kranken Menschen, einsamen Menschen und am schlimmsten: einsam sterbende Menschen; an die kranke Wirtschaft, meine Kurzarbeit…
All das führte zu einer Art Lähmung, dem Gegenteil von der Hyperaktivität kurz zuvor.
Dann gab es eine gestresst-Phase, ein Sich-Aufbäumen: Ich will mich wieder so bewegen wie immer, will meine Freiräume, meine Ruhe, meine Art zu leben zurück…
Phasen als Reaktion auf Parinama – den Wandel in Corona-Zeiten
Jeder Mensch wird entsprechend seinem Temperament und seiner persönlichen Lage solche verschiedenen Phasen haben, denn für alle von uns bedeutet die jetzige Situation eine gravierende Veränderung.
Veränderung – im Yoga Parinama – ist etwas ganz Normales, aber sie hat das Potenzial, uns aus dem Gleichgewicht zu bringen, gerade, wenn sie so plötzlich und umfassend eintritt wie jetzt.
Wie kann man sich also gegen dieses Mitgerissenwerden wehren?
Deswegen habe ich für diese Yogastunde die Postkarte wieder herausgeholt: Glaube nicht alles, was Du denkst!
Für gewöhnlich sind wir so mit unseren Gedanken und Gefühlen verwoben, dass wir glauben, wir seien das, was wir denken und fühlen. Aber jeder kennt von sich Situationen, wo er über sich selber wundert, über sich lacht. Sich also im Grunde wie von außen beobachtet, eine gewisse Distanz zu den eigenen Handlungen und Gedanken aufbringt.
Online-Yoga Kaufering: Viveka üben
Genau diese lichten Momente sind es, die wir im Yoga üben; diese Fähigkeit, nicht immer von unseren Gedanken und Gefühlen gebeutelt und angetrieben zu werden, sondern die Dinge klarer wahrzunehmen, zu unterscheiden zwischen dem, was ich denke und fühle und dem, was jetzt ist.
In der Yoga-Philosophie heißt das, was draußen passiert und gesehen wird das Gesehene (drsyam). Das Werkzeug, mit dem wir die Dinge wahrnehmen ist der Geist (citta). Was uns aber wirklich ausmacht, ist der innere Seher (drstr). Diese drei Einheiten wahrzunehmen und zu unterscheiden hilft dabei, sich in der jetzigen Zeit nicht mitreißen zu lassen. Und das haben wir in dieser Online-Stunde geübt, mit dem Körper, mit dem Atem und mit dem Geist.
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